Schaden durch Schlaglöcher: Wer haftet?
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28.02.2019 | 02:10 Uhr
Jedes Jahr nach dem Winter haben Autofahrer das gleiche Problem: Sie müssen auf den Straßen teils riesige Schlaglöcher umfahren, die Frost und Schnee verursacht haben. Erwischt man mit dem Auto bei großer Geschwindigkeit so ein Loch, können Felgen, Achsen und sogar Ölwanne hinüber sein. In der Theorie müssten für die Schäden die Besitzer der Straßen, also Städte, Gemeinden oder Bund aufkommen. In der Praxis haben es Autofahrer aber schwer, ihren Schaden ersetzt zu bekommen.
Große Löcher in kurzer Zeit
Durch Frost entstehen im Straßenbelag zuerst blasenartige Aufwölbungen oder Spalten. Deren Ränder brechen nach und nach ab. Auf vielbefahrenen Straßen dauert es nicht lange, bis die Asphaltbrocken weggeplatzt sind und die Vertiefung sich weiter ausdehnt. Innerhalb kurzer Zeit bildet sich dann ein Schlagloch. Verkehrsexperten sehen Eis und Schnee aber nicht als einzige Ursache für die häufig auftretenden Straßenkrater. Nach ihrer Meinung wird insgesamt zu wenig in den Straßenerhalt investiert. Werden kleine Schäden in der Fahrbahn nicht rechtzeitig erkannt und ausgebessert, kann es in der Folge schnell zu den berüchtigten "Straßenkratern" kommen. Wasser kann auf schlecht unterhaltenen Straßen nicht wie üblich von der Deckschicht abfließen, sondern dringt in die Schotterschicht unter der Fahrbahndecke ein. Sinken die Temperaturen unter null Grad, gefriert das Wasser und dehnt sich dabei aus. Als Folge wird die Deckschicht porös und bröckelt unter der Last der Autos. Oft reicht auch schon der Sog von großen Reifen, um Asphaltteile herauszulösen. Laut ADAC treten die Löcher besonders nach Wintern mit vielen Wechseln zwischen Frost und Temperaturen über Null Grad gehäuft auf. Der Auto Club Europa (kurz: ACE) betreibt im Internet einen Schlaglochmelder. Die Zahl der Meldungen sei in den letzten Jahren konstant geblieben. Davon leitet der ACE einen "gleichbleibend mäßigen Straßenzustand und einen Sanierungsbedarf" ab.
"Straßenträger" und "Verkehrssicherungspflicht"
In der Theorie ist es einfach: Wird ein Auto durch ein Schlagloch beschädigt, ist der für die Straße Verantwortliche in der Pflicht. Der wird im Juristendeutsch als "Träger der Straßenbaulast" oder auch "Baulastträger" bezeichnet.
Da gibt es eine gesetzliche Regelung und danach ist zum Beispiel der Träger der Straßenbaulast für Landstraßen der jeweilige Landkreis.
Für Autobahnen und große Überlandverbindungen sind in der Regel Bund und Länder zuständig. Gemeindestraßen schließlich sind meist im Besitz von Städten und Kommunen. Mit fast 400.000 Kilometern Länge machen letztere den weitaus größten Teil deutscher Straßen aus: Rund 65 Prozent oder auch rund zwei Drittel.
Autofahrer in der Nachweispflicht
Schadenersatz für gebrochene Achsen oder kaputte Felgen bekommen Autofahrer aber nur, wenn sie Stadt, Kreis oder Bund eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nachweisen können.
Bedeutet: Wer die Straßen unterhält, muss auch für deren ordnungsgemäßen Zustand sorgen. Die Straßen müssen also regelmäßig abgefahren und kontrolliert werden.
Bei selbst entdeckten oder von Autofahrern gemeldeten Straßenschäden müssten die Behörden dann "unverzüglich" reagieren. Dafür reichen allerdings schon Warnschilder und Tempolimits an den entsprechenden Stellen aus. So befreien sich die Straßenbesitzer oder "Baulastträger" in der Regel von der Haftung.
Autofahrer müssen folglich in der Praxis zum einen nachweisen, dass der Schaden durch das Loch im Boden verursacht worden ist. Etwa mit Fotos von der Unfallstelle, dem Schlagloch und den Schäden am Auto. Juristen empfehlen, neben das Schlagloch ein Feuerzeug, die Parkscheibe oder auch eine Zigarettenpackung zu legen. So kommen die Dimensionen besser zur Geltung. Zusätzlich sollte man das Schlagloch ausmessen. Dabei können unbeteiligte Zeugen oder auch die Polizei helfen.
Zudem sollte man das Schlagloch aus einiger Entfernung fotografieren, so wie man es als Autofahrer beim Heranfahren erlebt. Denn es kommt auch sehr drauf an, wie gut das Schlagloch sichtbar war bei Annäherung.
Fälle landen oft vor Gericht
Zum zweiten müssen geschädigte Autofahrer immer auch belegen, dass die Kommune oder der Bund nicht in bestimmten Zeitabständen die Straße abgefahren ist. Das ist meist nicht so leicht. Passiert etwa ein entsprechender Schaden plötzlich und zwischen diesen Fahrten, dann würde die Kommune leider nicht haften.
Die Straßenkontrollen müssen protokolliert werden und auf diese Protokolle kann man sich als Geschädigter eventuell stützen.
Der Dresdner Fachanwalt für Verkehrsrecht Richard Wünsche rät Autofahrern, bei einem Schlaglochunfall möglichst auch Anwohner aus Zeugen zu gewinnen.
So kann man im Ernstfall belegen, dass der Unfall zu einem bestimmten Zeitpunkt passiert ist.
Zum anderen wissen Anwohner häufig auch, wie lang ein Schlagloch schon existiert.
Gibt es das Loch schon lange, kann man als Autofahrer eher nachweisen, dass der Baulastträger seinen Pflichten nicht nachgekommen ist.
Aus der Erfahrung von Verkehrsrechtsexperte Roman Becker wehren sich Kommunen sehr stark gegen Schadenersatzansprüche:
Man möchte ja keine Präzedenzfälle schaffen.
Folglich enden die meisten Fälle vor Gericht und können dann für Autofahrer teuer werden. Hier hilft eine Rechtsschutzversicherung, die Kosten für den eigenen und den fremden Anwalt, mögliche Gutachter- und Zeugenkosten abdeckt.
Autofahrer müssen vorsichtig fahren
Häufig werden Autofahrer zudem in Mithaftung genommen, sagt Anwalt Wünsche.
In der Straßenverkehrsordnung gibt es ein Sichtfahrgebot: Autofahrer müssen vor einem Hindernis noch zum Stehen kommen und das gilt auch für ein großes Schlagloch.
Autofahrer könnten nicht von intakten Straßen ausgehen und müssten entsprechend ihre Geschwindigkeit anpassen. Das gelte insbesondere für die Zeit nach dem Winter mit erfahrungsgemäß vielen Schlaglöchern.
Ausgang offen
Die Rechtsprechung ist bei dem Thema sehr unterschiedlich und weit verzweigt.
So seien etwa die Gerichte in Berlin – einer Stadt mit sehr vielen Schlaglöchern – sehr zurückhaltend beim Zusprechen von Schadenersatz an Autofahrer.
Da werden dann auch oft aberwitzige Diskussionen über die Tiefe von Schlaglöchern geführt. Etwa ob bei zehn oder erst bei 15 Zentimeter Tiefe gehandelt werden musste.
Bei Schäden durch Löcher auf Autobahnen seien sich Juristen dagegen einig, dass schon bei vergleichsweise flachen Löchern schnell reagiert werden müsse.
Bei vielbefahrenen Straßen sind die Pflichten für den Baulastträger höher, Autofahrer zu warnen oder zu sanieren.
In der Vergangenheit gab es auch einige autofahrer-freundliche Gerichtsurteile. So half es beispielsweise der Stadt Lübeck nicht, mit einem Schild auf ein riesiges Schlagloch hinzuweisen. Sie musste einem VW-Golf-Fahrer den Schaden an seinem Fahrzeug ersetzen. Und die Stadt Dresden musste für einen Achsbruch 1.500 Euro Schadenersatz zahlen.
Vollkasko zahlt
Wehren sich die Straßenbetreiber erfolgreich gegen Schadenersatz, können Autofahrer nur auf ihre Vollkaskoversicherung zurückgreifen.
Die Vollkasko-Versicherung zahlt Schäden, die beim Betrieb vom Auto entstehen und das unabhängig davon, ob man den Schaden selbst verursacht oder ob jemand anderes verantwortlich ist.
Allerdings können die Autofahrer dann in der Versicherung "hochgestuft" werden, wenn sie keinen "Rabattretter" oder "Rabattschutz" haben.
Dieses Thema im Programm MDR JUMP bei der Arbeit | 28. Februar 2019 | 10:45 Uhr