Mundschutzpflicht "lächerlich" - was ist dran an der Kritik?
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Zuletzt aktualisiert: 23.04.2020 | 15:39 Uhr
Mit einem Mund-Nasen-Schutz kann man wieder guten Gewissens raus, um zum Beispiel wichtige Besorgungen zu machen. Doch ganz so unkompliziert und sorgenfrei ist es leider nicht.

Die Brille beschlägt, das Luftholen fällt schwer, man kommt leicht außer Atem: Begeistert ist kaum jemand, der eine trägt – doch für viele Menschen ist eine sogenannte Alltagsmaske ein wichtiges Werkzeug, um in der Coronakrise langsam wieder ein Stück in Richtung Normalität zu kommen. Mit ihr kann man guten Gewissens wieder raus, um zum Beispiel wichtige Besorgungen zu machen. Stimmt doch, oder?
Generelle Maskenpflicht schwer umsetzbar
Nun, so einfach ist die Sache nicht. Vielleicht erst einmal zur Erinnerung: Das Stück Stoff vor Mund und Nase soll helfen, die Ausbreitung des Erregers Sars-CoV-2 in der Bevölkerung zu bremsen. Das klappt aber – wenn überhaupt – nur, wenn möglichst viele Menschen so ein Ding tragen.
Auf eine generelle Maskenpflicht hatten sich Bund und Länder bei ihren Beratungen nach Ostern zunächst nicht einigen können. Es ging um die Frage, mit welchen Maßnahmen die anstehenden Lockerungen bei der Pandemiebekämpfung abgesichert werden. Doch statt Zwang zur Gesichtsbedeckung für alle gab es zunächst nur eine „dringende Empfehlung“. Das hatte wohl auch damit zu tun, dass viele Menschen bis heute keinen solche Maske haben.
Gefahr bei unsachgemäßem Gebrauch
Manch einer näht selbst, andere kaufen übers Netz - und was ist mit dem Rest? In dieser Woche haben sich alle Länder nach und nach dazu entschlossen, die Mund-Nasen-Bedeckung teilweise eben doch zur Pflicht zu machen: für Fahrgäste im Öffentlichen Nahverkehr beziehungsweise die Kunden von Einkaufsläden.
Für Menschen, die keine Masken haben, gibt es dabei andere Ausweichoption: Sie können Mund und Nase mit Schals bedecken. Und genau das hält Frank Ulrich Montgomery für Unsinn. Der Hamburger Radiologe ist Vorstandsvorsitzender der Weltärzteverbandes WMA. Der „Rheinischen Post“ sagte er nun, eine gesetzliche Maskenpflicht könne es nur für echte Schutzmasken geben – eine Pflicht für Schals oder Tücher sei „lächerlich“.
Montgomery ist für markige Aussagen bekannt, die er auch in seiner Funktion als Ehrenvorsitzender der Ärztegewerkschaft Marburger Bund immer wieder getätigt hat. Sei Argument im aktuellen Fall: Bei unsachgemäßem Gebrauch können Masken sogar gefährlich werden. Im Stoff konzentriere sich das Virus, beim Abnehmen der Maske berühre man die Gesichtshaut - schneller könne man sich kaum infizieren.
Masken suggerieren falsche Sicherheit
Und noch ein Problem sieht der Ärztefunktionär, und das ist vermutlich sogar noch gravierender:
Wer eine Maske trägt, wähnt sich sicher, er vergisst den allein entscheidenden Mindestabstand.
Mit dieser Kritik liegt Montgomery richtig, sagen unsere Experten. Dieser Umstand war wohl auch der Grund, warum sich Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das Robert Koch-Institut (RKI) in Deutschland lange nicht entschließen konnten, eine Maskenpflicht für alle im öffentlichen Raum vorzuschlagen.
Alltagsmasken schützen andere
Alltagsmasken signalisieren allen, dass wir in Zeiten der Pandemie leben. Das ist gut. Aber sie können den Menschen dahinter auch in falscher Sicherheit wiegen: Ich habe eine Maske auf, also wird mir schon nichts passieren, wenn ich draußen bin. Das ist aber Unsinn. Stoffmasken bringen nichts beim Eigenschutz, sie bewahren Trägerin oder Träger nicht vor Sars-CoV-2-Erregern in der Luft. Deswegen dürfen sie auch nicht unter dem Namen „Schutzmaske“ verkauft werden.
Die Virenpartikel sind viel zu klein, als dass sie vom Gewebe des Stoffes zurückgehalten werden könnten. Bestenfalls helfen Alltagsmasken also dabei, dass man niemanden anders unabsichtlich ansteckt, indem potentiell virushaltige Speicheltröpfchen zum Beispiel beim Sprechen zurückgehalten werden. Wer dagegen durch eine Stoffmaske hustet oder niest, verteilt das Virus trotzdem weiter.
Spezialmasken sind Mangelware
Wirksamen Schutz für Trägerin oder Träger würden Spezialmasken des Typs FFP2 oder 3 bringen. Die sind aber erstens teuer, zweitens ohne arbeitsmedizinische Untersuchung eigentlich kaum sinnvoll zu tragen und – vor allem – drittens nach wie vor sehr knapp. Deswegen sollen sie nur in Sonderfällen eingesetzt werden. So sieht es auch Ärztefunktionär Montgomery. Er sagt: Derzeit brauche man alle „echt wirksamen Masken“ für das medizinische Personal, Pflegende und Gefährdete.
Abstand halten & Händewaschen spielen größere Rolle
Warum gibt es nun trotzdem eine Maskenpflicht in einigen Bereichen des öffentlichen Lebens? Die Entscheidung hat vermutlich in erster Linie politische und erst in zweiter Linie wissenschaftliche Hintergründe. Man will halt etwas tun. Und, zumindest wenn sie richtig auf- und abgesetzt werden, wenn sie bei Benutzung tatsächlich eng am Gesicht anliegen, wenn sie regelmäßig gewaschen werden, dann können Stoffmasken womöglich eben einen kleinen Beitrag im Kampf gegen Corona leisten.
Aber eben auch nicht viel mehr als das. Regelmäßiges Händewaschen und – vor allem – immer der nötige Abstand zu allen Menschen außerhalb des eigenen Haushalts spielen eine deutlich größere Rolle.
Dieses Thema im Programm MDR JUMP Nachrichten | 23. April 2020 | 13:00 Uhr